Dr. May erklärt die Welt

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Wie man sich lang an die Seite des Pferdes legt

»Vielleicht wird es notwendig, dies zu beweisen. Können Sie sich während des Rittes lang an die Seite des Pferdes legen?«

»Lang an die Seite des Pferdes legen? Wie meinen Sie das? Wie macht man das? Ich habe es noch nie gesehen.«

»Die Indianer Nordamerikas bringen dieses Kunststück sehr oft in Anwendung. Wenn man den Körper lang an denjenigen des Pferdes legt, kann man von der entgegengesetzten Seite weder gesehen noch von einer Kugel getroffen werden.«

»Da fällt man ja herab!«

»O nein. Ich habe zu diesem Zwecke zwei Lassos bestellt. Wir schlingen sie um die Hälse der Pferde. Das ist die ganze Vorkehrung, deren wir bedürfen. Gesetzt den Fall, wir haben zu unserer rechten Hand einen Feind, welcher uns nicht sehen soll, so müssen wir uns an der linken Seite des Pferdes verbergen. Zu diesem Zwecke rutschen wir langsam nach links aus dem Sattel, lassen aber den rechten Fuß im Steigbügel und ziehen ihn mit demselben hinter dem Sattel über die Kruppe des Pferdes. Wir hängen also mit dem Fuße im Bügel. Mit dem Arme fahren wir in den Lasso, welcher um den Hals des Pferdes geschlungen ist. In dieser Weise liegen wir links lang am Pferde und können unter dem Halse desselben hinweg nach rechts schauen und sogar nach dieser Richtung schießen.«

»Das geht ja nicht. Wie kann ich mich mit der großen Zehe im Bügel halten?«

»Ihre Steigbügel sind eben sehr unpraktisch. Glücklicherweise hängen sie im doppelten Riemen, zwischen welchen Sie den Fuß stecken können. Auf diese Weise ist der Feind zu täuschen. Befindet er sich so weit entfernt, daß er den Sattel nicht zu unterscheiden vermag, so hält er das Pferd für ein lediges, weidendes Tier.«

Am Rio de la Plata (1894)
F 12, S. 306 f.
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